Du möchtest Menschen fotografieren, aber tust dich schwer, die passende Location und das passende Licht zu finden? Ich erkläre dir, worauf du achten solltest und wie du überall tolle Portraits machen kannst, ganz unabhängig von der Umgebung!
Von Zeit zu Zeit biete ich Workshops zum Thema Portrait- bzw. Peoplefotografie an (schau mal in den Shop). Möchtest du es von mir lernen und es gibt gerade kein Workshop-Angebot, kannst du auch jederzeit ein Einzelcoaching mit mir buchen. Oder lass uns doch gemeinsam einen Workshop mit deinem Fotoclub organisieren. Dann halten sich die Kosten für den Einzelnen sehr in Grenzen, und das Lernen in Gesellschaft des eigenen Clubs macht doch am meisten Spaß!
Inhalt
Planung ist das halbe Leben?
Am Anfang meiner Fotografenlaufbahn bin ich noch durch die Bayerische Landschaft gefahren und habe schöne Locations für People-Shootings “gesammelt”. Immer, wenn ich irgendwo eine tolle Wand, einen romantischen See oder eine bunte Blumenwiese gesehen habe, habe ich ein Handybild davon gemacht (mit eingebetteten GPS-Koordinaten) und das ganze in einem Lightroom-Ordner hinterlegt. Im Karten-Modul von Lightroom konnte ich mir dann bequem etwas heraussuchen, was günstig gelegen war für das geplante Shooting. Leider blühten dann beim Shooting die bunten Blumen nicht mehr, die tolle Wand war durch einen Neubau verstellt und am romantischen See waren auf einmal so viele Badegäste, dass ein Shooting da arg gestört hätte.
“Planung ist das halbe Leben” – im wahrsten Sinne des Wortes. Ich habe wirklich sehr viel Zeit mit der Planung verbracht, um später festzustellen, dass mir die Planung oft nicht viel gebracht hat. Zeitvergeudung pur.
Inzwischen bin ich dazu übergegangen, solche Peopleshootings eher spontan zu machen, ohne viel Location-Planung. Außer natürlich dann, wenn die Location eine entscheidende Rolle spielt. Aber wenn die Person im Vordergrund steht und es einfach darum geht, schöne Portraits zu machen, dann plane ich da nicht mehr viel.
Spontan sein (1): Vielseitige Orte wählen!
Ich gehe dazu zum Beispiel an Orte, von denen ich aus Erfahrung weiß, dass sie viele tolle Kulissen auf engem Raum bereithalten. Ein paar Beispiele:
- Der Ingolstädter Klenzepark, einst Landesgartenschau-Gelände: Fußläufig gibt es hier zu jeder Jahreszeit mindestens 10 schöne Kulissen für Peopleshootings. Siehe Bild unten. Andere vielseitige Parks eignen sich genauso gut.
- Ein beliebiges Industriegebiet in der Nähe: Helle Büro- oder Hallenwände sind riesige Softboxen: Stelle eine Person gegenüber von so einer Wand und du hast wunderschönes, weiches Licht. Oft ist der Hintergrund in solcher Kulisse dann auch recht aufgeräumt. Eignet sich meist eher für kühleres Ambiente: Businessportraits, Urban Style usw. Weniger für romantische Bilder. Außer, gegenüber von so einer Wand hast du z.B. einen Sonnenuntergang über einer Berglandschaft, den du als Hintergrund ins Bild nehmen kannst.
- Eine Altstadt: Auf Spaziergängen durch Berlin, Nürnberg, Ingolstadt, München, Augsburg und einigen anderen Städten, gemeinsam mit einem Modell, sind schon viele wunderschöne und vielseitige Bilder entstanden. Wenn du meinem Instagram-Account folgst, hast du schon einige davon gesehen.
Wichtig: In Bewegung bleiben. Nehmt euch (du und dein Modell) Zeit für mehrere Ortswechsel. Oft passiert es auch, dass man an einer Stelle hängenbleibt, weil sie so viel hergibt. Das ist nicht schlimm. Das bietet Gelegenheit, ein Bild zu perfektionieren. Aber wenn du eher möglichst vielseitige Bilder machen möchtest, dann halte dich mit deinem Modell nicht zu lange an einem Ort auf.
Diese total unterschiedlichen Portraits von Christina sind alle innerhalb von zwei Stunden im Ingolstädter Klenzepark entstanden.
Spontan sein (2): Vertraue dir selbst!
Die andere Möglichkeit, die aber etwas Erfahrung voraussetzt, ist: Vertraue dir selbst. Mit genug Erfahrung und Selbstvertrauen kann dir die Location fast egal sein, denn dann kannst du überall schöne Portraits machen. Hier sind ein paar Tipps, wie du an diesen Punkt gelangst. Aber wie gesagt: Es erfordert Übung. Erwarte keine perfekten Ergebnisse, bevor du dich nicht etliche Male selbst herausgefordert hast! Gehe mit einem Modell irgendwo hin, an die hässlichsten oder schwierigsten Orte, die dir einfallen, und macht Portraits! Machst du das oft genug, wirst du immer bessere Ergebnisse bekommen und immer mehr Vertrauen gewinnen in dich selbst und in die Tatsache, dass du überall schöne Portraits machen kannst.
Die 6 wichtigsten Tipps für schöne Portraits unter schwierigen Bedingungen:
- Beherrsche Gegenlichtsituationen!
Gegenlicht kann Portraits sogar sehr aufwerten. Wenn man nicht aufpasst, führt es allerdings sehr häufig zu Unterbelichtung des Gesichts, was nicht schön aussieht. Benutze die Belichtungskorrektur und pfeife auf ausgebrannten Hintergrund. Das Gesicht ist das Wichtigste!
Gegenlicht oder große helle Bildbereiche heben die Durchschnittshelligkeit des Bildes stark an. Dadurch regelt die Belichtungsautomatik der Kamera herunter, so dass das Gesicht eher dunkel wird. Durch gezieltes Gegenregulieren mit der Belichtungskorrektur wird das Gesicht wieder korrekt belichtet. Ist der helle Hintergrund dadurch ausgebrannt, also strukturlos, macht das nichts. Oft gibt das dem Bild eine verträumte Stimmung.
- Zu wenig Licht?
Mach die Blende auf und stelle dann lieber ISO hoch als die Belichtungszeit zu verlängern, denn verrauschte Bilder sehen mit unter sogar gut aus (Retro-Look), während verwackelte Portraits immer ein Ärgernis sind. - Regenwetter? Shooting fällt aus?
Nicht doch! Auch im Regen kann man wunderschöne Portraits machen. Die meisten Kameras halten weitaus mehr Regen aus, als man denkt. Informiere dich aber vorher, ob Kamera und Objektiv spritzwassergeschützt sind. Sonst stellt ihr euch eben unter ein Vordach oder in eine Passage, einen Hauseingang… es gibt sehr viele Möglichkeiten. Mache Regentropfen mit kurzer Verschlusszeit sichtbar. Fotografiere dein Modell durch eine Scheibe (eines Cafés, eines Wartehäuschens….), die von Tropfen bedeckt ist. Das kann sehr romantisch wirken. Außerdem musst du hier auch meist den Tipp für “Zu wenig Licht” beachten, s.o.
Dieses Bild von der Schauspielerin Henrietta Theresa Teipel entstand an einem düsteren, zu Regenschauern neigenden Abend im November kurz vor Sonnenuntergang. Wir hatten tatsächlich kurz vorher überlegt, das Shooting zu vertagen. Es war ziemlich dunkel. Mit ISO 3.200 ist der Bildeindruck (auch ohne Blitz) aber hell und freundlich. Dank modernem Vollformatsensor ist so gut wie kein ISO-Rauschen im Bild zu sehen.
- Denke an den Grünstich!
Wenn du auf einer Wiese oder im Wald Portraits machst, hast du oft einen Grünstich im Bild. Das liegt an der Grünfärbung des Sonnenlichts, das durch die Blätter fällt bzw. von der Wiese reflektiert wird. Grünstichige Gesichter sehen nicht gesund aus. Hier kann es helfen, wenn man sich auf Schwarzweißportraits beschränkt. Oder man justiert im Weißabgleich gegen, was aber an anderer Stelle einen Rot- bzw. Magentastich ins Bild bringen kann. Evtl. kann das sogar sehr charmant aussehen, aber hier ist Fingerspitzengefühl gefragt!
- Direkte Sonne meiden!
Anfänger meinen oft, Portraits in der direkten Sonne seien die schönsten. Aber zum einen wirft direktes Sonnenlicht harte. hässliche Schatten im Gesicht (Nase, Kinn…) und zum Zweiten wird das Modell geblendet und kneift die Augen zusammen. Wenn es heiß ist, kommen noch Glanzstellen auf der Haut durch Schweiß hinzu. Fotografiere lieber im Schatten! Wenn du nicht gerade in der Wüste stehst, findet sich mit Sicherheit irgendwo ein Schattenplätzchen. Bitte aber nicht “durchlöcherter” Schatten unter einem Baum, denn das macht das Gesicht fleckig. - Der Hintergrund ist hässlich oder chaotisch?
Oft, wenn du draußen fotografierst, wirst du es mit sehr unordentlichem Hintergrund zu tun haben. Dieser lenkt auf dem Bild vom Gesicht ab und macht das Bild unansehnlich. Tipp 1: Räume den Hintergrund auf, verändere also möglichst die Perspektive so, dass der Hintergrund deines Portraits möglichst ruhig ist. Tipp 2: Mache den Hintergrund unscharf. Das ist ja sowieso häufig ein Ziel in der Portraitfotografie: Ein möglichst schönes Bokeh. Also: Öffne die Blende, nutze eine Telebrennweite (70-200mm sind da sehr geeignet), platziere dein Modell nicht zu weit von dir, der Hintergrund sollte aber weit entfernt sein.
Siehe auch: MOF#011 – Was ist ein schönes Bokeh?
1 Kommentar
[…] Ein optimales Bokeh wird meist in der Portraitfotografie angestrebt. Siehe dazu auch MOF#010 – Schöne Portraits in jeder Umgebung. […]