Tolle Portraitfotografie-Tipps: Annie Leibovitz’s Secrets – #033

Annie Leibovitz, eine der berühmtesten Portraitfotograf(inn)en (wenn nicht zur Zeit die berühmteste Portraitfotografin) weltweit hat ein paar Tipps für euch.

Diese Tipps lassen sich hauptsächlich, aber nicht nur auf die Portraitfotografie anwenden.

Übrigens sind in meinem Portrait-Workshop am 17.9.2022 noch Plätze frei. Also wenn du direkt loslegen willst mit lernen, komm zu mir in den Workshop. Ich würde mich freuen! 🙂 –> CLICK

Doch nun zum Video. Es sind nicht unbedingt alles neue Erkenntnisse. Aber es ist gut, sie mal als Ganzes, als Gesamtwerk zu hören. Ich fasse sie mal unten mit meinen eigenen Worten und z.T. mit eigenen Erfahrungen gespickt zusammen. Auch für diejenigen von euch, die im Englischen nicht so fit sind.

Kommunikation: “Bridge the gap”

Überbrücke die Lücke zwischen Fotograf und Model durch Gespräche und eine gute Atmosphäre. Das ist etwas, worin ich selbst anfangs gar nicht gut war. Aber das kommt mit der Zeit, wenn man sich auf die Menschen, die man fotografiert, einzulassen bereit ist, wenn man sich wirklich für sie, für ihr Inneres interessiert und nicht nur für ihr Äußeres. Die Bilder werden sofort besser. Authentischer, weniger distanziert, intimer. Das hat ganz viel mit Vertrauen zu tun.

Vorhandenes Vertrauen nutzen: “Photograph your friends”

Wenn du zunächst deine Freunde oder deine(n) Partner(in) fotografierst, nimmt das den Erfolgsdruck und du musst dich nicht so sehr um den obigen Punkt “Bridge the gap” kümmern, denn Vertrauen ist ja schon da. So kannst du dich ganz auf die Fotos konzentrieren. (Anm.d.Autors: Das funktioniert aber nicht mit jedem Freund oder Partner! 😉 Wenn’s bei jemandem nicht funktioniert, insistiere nicht, sondern akzeptiere das und such dir jemand anderen!).

Wenig Technik: “Cut down on gear”

Nimm nur das Nötigste an Ausrüstung mit. Sonst wirst du durch die “Qual der Wahl” von dem, worauf es eigentlich ankommt, ständig abgelenkt. Das kenne ich nur zu gut. Es ist zwar eine Überwindung, das schöne 70-200mm f/2.8 zuhause zu lassen und nur ein 50mm 1.8 mitzunehmen. Aber es kann sehr befreiend sein und du wirst erstaunt sein, was für interessante Bilder du machst. Vielleicht nicht zwingend perfekte Bilder. Aber inspirierende bzw. inspirierte Bilder. Dafür ist es natürlich nötig, sich von dem Druck zu lösen, jedes Mal perfekte Bilder mit nach Hause nehmen zu müssen. (Mögliche Lösung: Siehe voriger Punkt. Erfolgsdruck vermeiden. 🙂 )

Gehe auf das Model ein: “Go with the flow”

Oder: “the portrait should be driven by the subject rather than by the concept” – Das Model wird dich leiten, evtl. unterbewusst. Höre auf die Signale, die es dir sendet, halte nicht zu sehr am Konzept fest, wenn die Signale eher in eine andere Richtung gehen. Wenn du das befolgst, führt das auch hier wieder zu mehr Authentizität in den Bildern!

Analysiere Bilder: “Why does the photo work?”

Schau dir Bilder an, die dich umgeben. Warum funktionieren sie? Warum sind sie genau so gemacht worden und nicht anders? Was haben sich Fotograf und Model dabei gedacht? Schaue über den Tellerrand und beschäftige dich mit der Arbeit anderer Fotografen. Das müssen gar nicht viele sein, es müssen auch nicht die Berühmtesten sein (es geht ja nicht darum mitreden zu können, sondern es geht darum, deine Fotografie zu verbessern). Ich z.B. beschäftige mich zur Zeit sehr mit der Fotografie von Andreas Jorns und Pierre Steinhauer, weil deren Arbeit mich sehr inspiriert und ich ähnliche Dinge machen möchte. Allein von der Beschäftigung mit ihren Bildern und deren Entstehung habe ich schon viel von den beiden gelernt.

Liebe das Licht: “Learn to love light”

Was erstmal sehr esoterisch klingt, heißt eigentlich nur: Verinnerliche, wie Licht funktioniert. Also lerne, wie welches Licht wirkt. Lerne auch, die Lichtwirkung “vorauszusehen”. So kannst du Werkzeuge verwenden (Blitz, Dauerlicht, Reflektor, Abschatter, whatever), um das Bild so zu gestalten, wie du es haben möchtest und dich unabhängig vom Umgebungslicht zu machen, und die Bilder sehen trotzdem natürlich aus. Das sage ich übrigens auch immer wieder in meinem Blitzworkshop. Hier gibt es großes Frustrationspotential, gerade wenn man anfängt, mit Blitz, womöglich noch mit frontal ausgerichtetem Aufsteckblitz zu fotografieren. Das sieht in den allermeiste Fällen halt einfach nicht gut aus.

Beobachte deine Entwicklung: “Revisit old images”

Guck dir alte Bilder von dir an, schau, wie du dich entwickelt hast. Sei dein eigener Lehrer. Analysiere, warum du dich wie entwickelt hast. Vielleicht willst du auch mal zurück gehen, vielleicht war nicht jede Entwicklung vorteilhaft? Ich mache das tatsächlich ganz oft, dass ich in alten Bildern buddele. Manchmal bearbeite ich ein altes Bild, das ich damals aussortiert hatte, neu und stelle dabei fest, dass die Fotografie an sich aus heutiger Sicht eigentlich hervorragend war. Nur fehlte mir damals die Phantasie oder das Können, das Bild entsprechend zu bearbeiten. Oder mein Geschmack hat sich geändert. Das kann sehr lehrreich sein! Schmeiß nicht allzu viel weg. Es könnte nochmal wichtig werden! (Und Speicherplatz ist billig geworden)

Vielleicht das Wichtigste: “IF YOU LOVE SOMETHING, PHOTOGRAPH IT”.

Was für ein großartiger Satz! Das bezieht sich meiner Meinung nach nicht nur auf Menschen, Tiere, Dinge usw., sondern auch abstrakter auf Themen wie z.B. auf Details, Kontraste, Licht… Laufe mit der Kamera durch die Wohnung, mache Fotos von Licht/Schatten-Kontrasten, die dir gefallen. Finde Formen, Linien… Oder hol das Makro raus und fotografiere alltägliche Dinge, die du magst, mal ganz anders. Hole kleinste Details hervor, die, isoliert betrachtet, überhaupt nicht mehr für das stehen, was du so liebst. Oder die erst recht das zeigen, was du liebst: Du zeichnest gern? Fotografiere ganz nahe nur die Spitze deines Stifts anstatt den ganzen Stift. Schau, wie viele Details du darin entdeckst. Die Form der Spitze, die Unebenheiten des Strichs, den sie gerade gezeichnet hat. Du liebst Fotografie (sowieso 😉 )? Fotografiere ein offen herumliegendes Objektiv und wie das Licht einer Lampe hindurchfällt. Oder fotografiere auf der Straße Menschen, die fotografieren. Oder oder oder. Es gibt zahllose Möglichkeiten. Blicke über den Tellerrand, fotografiere auch mal ganz anders als gewohnt. Fotografiere auch mal so, dass die Bilder keinem Ideal entsprechen, keinen Regeln folgen… das ist Kunst! Du musst sie ja keinem zeigen. Aber sie werden dich irgendwo hin führen. Du wirst schon sehen, wohin. 🙂


Na, hat du Lust bekommen, mit dem Lernen loszulegen? 🙂


SIMPLY YOU – Es geht um den Menschen, nicht um’s Bild – #032

SIMPLY YOU - Tamara

SIMPLY YOU ist mein absolutes Herzensprojekt in der Portraitfotografie. Hier entstehen meistens Schwarzweiß-Bilder. Und oft folgen sie kaum den gewöhnlichen Portrait-Regeln. Ich bekomme tatsächlich auf social media oft Feedback wie “gefällt mir nicht, die Augen sind ja unscharf, der Bildschnitt ist seltsam, das Gesicht versinkt im Schatten,…”, während die portraitierte Person selbst sowie einige wenige fremde Betrachter die Bilder in höchsten Tönen loben. Was ist da los? Wie kann das sein?

(Bilderstrecke: Tamara freut sich sehr über ihre SIMPLY YOU Serie, die sie als Fineart-Prints entgegennimmt.)

Worum geht es eigentlich bei SIMPLY YOU?

SIMPLY YOU unterscheidet sich in vielen Punkten von der klassischen Portrait-Fotografie. Und daher unterscheiden sich auch die Bildergebnisse:

  • Es geht um den Menschen, nicht um’s Bild
  • Es geht um Bilderserien, nicht um einzelne Bilder. Die ganze Serie soll die Person portraitieren, sie soll viele Facetten der einen Person zeigen, was in einem einzelnen Bild gar nicht möglich wäre.
  • Es geht um Gefühle und Stimmungen, nicht um Posen oder gar nackte Haut
  • Die Bilder dürfen den Betrachter zum Mitfühlen oder zum Interpretieren anregen, anstatt ihn mit einem “Wow-Effekt” zu verblüffen oder durch schöne Farbstimmung von der eigentlichen Stimmung der Person abzulenken.

Daraus ergibt sich auch ein völlig anderer Zweck der Bilder:

  • Es geht nicht um viele Likes, Kommentare und massenhaft Lob, sondern darum, einige wenige Menschen mit so einer Serie zu begeistern.
  • Diese Bilder können sogar heilsam sein. Für die portraitierte Person, die sich selbst über die Bilder sehr intensiv neu kennenlernen kann, aber auch für andere, die sich selbst oder ihre Geschichte in den Bildern wiederfinden. Nicht eins zu eins sicherlich. Aber über Interpretation.
    Manchmal ergibt sich auch beim Shooting schon ein intensives Gespräch, das bereits sehr gut tun kann. Natürlich ersetzt so etwas keine Therapie. Aber im Idealfall kann es sie ergänzen.
  • “Schönheit kommt von innen” ist nun keine Redensart mehr, sondern Realität! Auch wenn die Bilder einzeln betrachtet manchmal gar nicht so schön sind. Die Serie und der Mensch, den sie portraitiert sind schön. Punkt.

Rezeption, Inspiration und der tiefere Sinn

Klar, es hat nicht jeder Interesse an solcherlei Bilder oder findet den Zugang dazu. Tatsächlich sind solche Bilder auch nicht mainstream-tauglich. Sie begeistern nur einige wenige Menschen. Mich selbst hätten sie vor zwei Jahren auch noch nicht begeistert. Das kam erst mit der Zeit, seit ich mich mit der Fotografie von Andreas Jorns und Pierre Steinhauer intensiv beschäftige, die mich dabei sehr inspirieren.

Aber seitdem ich so fotografiere und entsprechend offen und einfühlend auf die Menschen, die ich fotografiere, eingehe, hat die Fotografie für mich einen vollkommen neuen Sinn bekommen. Ich habe erfahren, dass ich mit meiner Fotografie nicht nur einfach schöne Bilder kreieren kann, sondern dass ich Menschen damit wirklich helfen kann. Zum Beispiel dabei, aus sich herauszugehen, sich selbst wieder positiver wahrzunehmen oder auch dabei, zu erfahren, dass sie ihre Scham eigentlich gar nicht brauchen 🙂 Themen wie Selbstliebe, Achtsamkeit, “Selbst-Akzeptanz” und die Stärkung des Selbstbewusstseins bekomme ich immer wieder als Feedback von den Menschen vor meiner Kamera rückgemeldet.

Diskussion / SIMPLY YOU und der Mainstream

Ich möchte ein paar wichtige Kommentare oder Teile davon aus dieser Diskussion auf Facebook zitieren. Dort hatte ich nach Meinungen gefragt, ob SIMPLY YOU auch in dezenter Farbe funktioniert anstatt nur in schwarz-weiß, anhand der folgenden Beispiel-Bildserie von Sonja. Es entspann sich eine interessante Diskussion.

Übrigens könnt ihr im vorigen Blogbeitrag MOF#031 SIMPLY YOU – Sonja noch mehr über diese Begegnung zwischen Sonja und mir und die Bilder, die daraus entstanden sind, lesen.

“Farblich finde ich alles ok. Allerdings kann ich mich weder mit den Posen noch mit dem Bildschnitt anfreunden. Aber das ist nur mein persönlicher und subjektiver Geschmack. Das letzte Bild wäre gelungen, wenn der Blick Richtung Kamera gegangen wäre.”

(Kommentar von Andreas)

Meine Antwort:dank dir für deine Kritik! Ich muss dazu etwas erklären. […] Bei diesen Serien, die ich “SIMPLY YOU” nenne, geht es erstmal nicht um das einzelne Bild, sondern um die Serie als Ganzes. Ich will mit der Serie einige Facetten (wie z.B. verschiedene Stimmungen oder Charakterzüge) der abgebildeten Person zeigen, Du wirst hier oft auf Bilder stoßen, die einzeln betrachtet nicht gelungen scheinen. Beispiel: Wenn Sonja auf dem letzten Bild an der Kamera vorbei schaut, dann hatte das in dem Moment seinen Grund. Ich habe sie dabei fotografiert, wie sie gerade an etwas Bestimmtes gedacht hat. Nicht dabei, wie sie gerade für ein Portrait posiert. Klar kann der Betrachter nicht wissen, woran sie gedacht hat, und daher nicht nachvollziehen, warum genau sie nicht in die Kamera schaut. Aber er kann sich einen eigenen Grund ausdenken (“Interpretation”) und vielleicht sogar sich selbst darin wiedererkennen und sich einfühlen. Kaum ein Bild, das ich in so einem Rahmen forotgafiere, ist ein technisch perfektes Portrait. Ist aber auch nicht so gedacht. Im Gegenteil kann sogar ein Störer, wie im letzten Bild die Augen, den Betrachter zum Interpretieren anregen. Klar, das will nicht jeder. Wahrscheinlich sogar nur ziemlich wenige… Das ist das Schwierige bei meinen “Simply You”-Serien. Meist hat nur die abgebildete Person selbst den kompletten Zugang zu den Fotos. Jeder andere muss interpretieren. Wirken lassen. Vielleicht sich einfühlen. Offen sein, die Person über die Bilder kennenzulernen oder, wenn er sie schon kennt, ihre Geschichte darin wiederzufinden. […] Danke, Andreas, für den Denkanstoß. Ich muss mir mehr Gedanken über die Präsentation solcher Serien machen. Vielleicht nur als Videos, ein Bild nach dem anderen. Oder als Collagen. Oder zumindest mit einer Geschichte der Person dazu. So dass man gar nicht erst in diesen “ich guck mir ein Bild an”-Modus kommt und falsche Erwartungen hat. 🙂

“Die Reihe ist für mich sehr spannend, gerade wegen den verschiedenen Lichtführungen, Schnitten und Stilelementen – (y) Erst wollte ich schreiben, das ich diesen Anhänger, der sicher für sie, einen hohen persönlichen Wert hat, irgendwie ein Problem habe, da er für mich zu wuchtig – in Zusammenhang mit dieser Situation ist(auf der Kleidung getragen sicher ein Hingucker ist … usw.), aber dann viel mir wieder ein, dass es ja um die Reihe geht und wie so oft ja auch um die Person an sich – sie das aber womöglich auch dabei haben wollte?! 😉 ist also wenn, “Gejammer” auf ganz hoher Kajüte, ohne den Sinn zu hinterfragen, was man nicht immer muss – und nicht immer sollte 😉(y)ich sehe die Reihe, als eine Art “next level”, da ich selbst schon oft an die Grenzen meiner kleiner Cam gekommen bin und auch (weil ich)zu wenig damit mache 😕Das aber so fest zu halten, als wäre man gerade in einem Gespräch mit ihr, bei ihren Gedanken … bringt eine derartige Nähe mit sich, dass ich beinahe “intim” sagen will. Sehr, sehr stark (y) !”

(Kommentar von Tom)

Antwort von Sonja, der portraitierten Person: “ja, der Anhänger ist groß, wuchtig, vielleicht im Moment gesehen nicht passend. Ich wollte ihn so fotografiert haben…er verkörpert für mich einfach Kraft und Stärke. Denn selbst wenn du nackt bist…..es bleiben für immer deine Kraft und Stärke…du musst sie nur wieder spüren können”

“Das Problem is, dass die meisten Fotografen, so wie auch ich, nach den bekannten Regeln fotografieren und immer versuchen, ein Foto zu machen, das beim ersten Anblick einen wow Effekt hat. Das in Instagram und Facebook gut ankommt. Wenn du die Fotos anschaust von Andreas Jorns zb, und du im ersten Augenblick denkst , mann das ist ja unscharf, oder der Schnitt , was hat er sich da gedacht ? Er bricht alle Regeln. Erst nach längerem betrachten , erkennt man was für ein toller Künstler er ist.Ich hoffe ich kann das auch irgendwann mal”

(Kommentar von Matthias)

Meine Antwort: “genau so ging und geht es mir auch. Bis ich die Bilder (Serien, Monographien) von Andreas Jorns “verstanden” habe und sie mir dann auch gefallen haben, ist eine gewisse Zeit des Lernens vergangen. Jetzt liebe ich sie! Aber bis ich selbst so gut portraitieren kann, wird noch viel Zeit ins Land gehen. Aber deshalb frage ich auch so viel. Nicht nur aus persönlichem Interesse, sondern auch aus Eigennutz, um mich weiterzuentwickeln. 😉

Ich finde es cool, was Du machst – endlich weg vom klassischen Studio- und Hochzeitsfotografen. Bewusst brechen mit fotografischen Regeln. Und dennoch bewegst Du Dich absolut im Zeitgeist. Dadurch, dass jedes moderne Smartphone integrierte, hochgezüchtete Kameratechnik besitzt, gepaart mit KI (künstlicher Intelligenz), sind Fotos von Laien oftmals besser als die von ausgebildeten oder selbsternannten Fotografen. Denn der Blick von Laien ist unvoreingenommen, unverbraucht, unorthodox. Gerade durch die KI entstehen neue Kunstrichtungen und Fotostile. Werden Bilder lebendig und gleichen nicht den Hochglanzjournalen, wie beispielsweise die aus der Vogue. Smartphones geben endlich der Masse die Möglichkeit, Individualität, subjektives Empfinden und individuellen Geschmack auszudrücken, ohne sich auf Expertenwissen um Blende, Belichtung, Tiefenschärfe etc. konzentrieren zu müssen. Fotografie ist endlich zu einem Massenphänomen geworden, wo es nur noch um Individualität, Exklusivität, Originalität, Ausgefallenes geht. Du hast den Vorteil, dass Du Fotografie professionell betreibst, weißt, was Du tust und Effekte bewusst einsetzen kannst und Du nicht auf die KI angewiesen bist. Und Deine neue Phase der simplyyou schafft Nähe und Intimität, die Du als Fotograf und Dein Modell besonders spüren und Euch völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen, da gerade auf der Basis von gegenseitigem Vertrauen Dinge ausprobiert werden können, die dem Standardfotografen fremd sind.Ich finde die Bilder von Sonja geil. Reduziert auf die Persönlichkeit. Und Sonja ist eine Persönlichkeit – ungeschminkt, echt, real. Mach’ weiter so! Und im konkreten Fall ist es unerheblich, ob Du die Bilder in bunt oder schwarz-weiß machst. Sonja spricht für sich! Für die breite Masse solltest Du vielleicht tatsächlich lieber etwas mehr Beschreibung liefern, wie es in der Diskussion mit Andreas angeklungen ist. Eigentlich kenne ich Dich nur so – als Erklärbär 😉

(Kommentar von Hagen)

Meine Antwort: “ich danke dir für diese wunderbaren Worte! So habe ich das noch gar nicht gesehen (“endlich wird Fotografie zu einem Massenphänomen”). Eigentlich habe ich das eher umgekehrt gesehen. Also nicht “endlich”, sondern “Leider”. Und du hast schon recht: “Simply You” ist ein Versuch, aus diesem Massenphänomen wieder auszubrechen. Zum Erklärbär: Ja, da hast du grundsätzlich Recht, allerdings widerstrebt es mir auch irgendwie, zu jeder Bilderserie, die ich zeige, eine lange Erklärung mitzuliefern. Aber da kommt mir gerade eine Idee. Ich könnte so eine Art Standarderklärung oder neudeutsch “Disclaimer” verfassen, die ich zu jeder Serie dazuschreibe. So muss jemand, der meine Serien öfter sieht, sie nur einmal lesen bzw. kann sie bei der fünfundzwanzisten Serie auch einfach noch einmal lesen, um das Gedächtnis aufzufrischen, aber ansonsten lässt man sie links liegen, weil man ja weiß, was drinsteht. Wer will noch auf social media viel lesen…”

Auch Sonja, die portraitierte Person, meldete sich mit einem eigenen Kommentar zu Wort. Ich habe Passagen, die für mich als Fotograf der Bilder besonders wichtig sind, fett markiert:

“danke für die Fotos…sie zeigen all dass was ich in dem Moment als Gefühle hatte. Sie sind echt, pur, nicht geschönt. Es sind keine “Beauty Fotos, nix gestyltes. Sie sind der Ausdruck von Enttäuschung, Verrat, Verletztheit und Traurigkeit. Es ist der Ausdruck davon wenn von einer Jahrzehnte langen Beziehung nur Lügen und Tränen bleiben. Und wenn ich die Bilder jetzt mit Abstand betrachte, dann sehe ich wieviel in mir inzwischen geheilt und gewachsen ist. Mit wieviel Mut und Kraft ich schon sehr sehr weit gekommen bin. Und diese Fotos haben für mich deshalb so eine große Bedeutung, weil sie in einem sehr guten Gespräch entstanden sind, ohne posing. Ohne Zwang, einfach aus der Situation heraus. Ich denke Daniel dass ist genug Erklärung. Lieben Dank nochmals für deine Zeit”

(Sonja, die portraitierte Person)

Eine typische SIMPLY YOU Studio-Serie

Naja, “typisch” ist eigentlich schon falsch ausgedrückt. Jede Serie ist komplett anders, so wie die portraitierten Menschen. Mal hell und total positiv, mal düster und eher in gedrückter Stimmung. Mal draußen aufgenommen, in der natürlichen Umgebung der Person. Mal bei ihr zuhause, wo sie sich am sichersten und geborgensten fühlt. Manchmal entstehen solche Serien aber auch in meinem Atelier. Eine solche Serie, die mir besonders gut gefällt, ist diese hier von Tamara. Am besten, du klickst direkt auf ein Bild, um die große Ansicht zu aktivieren, und navigierst dann mit den Pfeilen / Pfeiltasten durch die Bilder. So wirken die Bilder am besten.

Auch klassische Portraits mache ich noch!

Wer mich kennt, weiß, dass ich Vielseitigkeit brauche. Daher habe ich meine Fotografie nicht komplett auf den “SIMPLY YOU”-Stil umgestellt, sondern ich bin nach wie vor auch in der klassischen Portraitfotografie unterwegs und freue mich da auch über viele Likes auf den sozialen Medien 😉 Auch Kreativprojekte wie Water-Wigs-Shootings (Highspeed-Fotogragfie mit Wasser) kann ich einfach nicht sein lassen. Das alles macht einfach viel zuviel Spaß. Ebenso spielen weiterhin die Reise- und die Architekturfotografie (besonders 360°-Fotografie / virtuelle Touren) eine sehr große Rolle für mich.

SIMPLY YOU – Sonja – #031

…oder: “SIMPLY YOU meets EINFACH NUR ICH”.

SIMPLY YOU ist meine neue Art, Menschen zu fotografieren. Aber was hat es damit eigentlich genau auf sich? Neulich habe ich Sonja fotografiert. Sie hat mir danach ein paar Zeilen dazu geschrieben, wie sie diese Begegnung erlebt hat. Ihr Feedback möchte ich hier gern zitieren und weiter unten auch drauf antworten. Dann weißt du, worum es bei SIMPLY YOU geht.  

Sonja schreibt: 

Die Geschichte der Bilder fing letzten Sommer, 2020, an…ich wurde von Daniel zu einem Fotowalk eingeladen. Und trotz etwas Unsicherheit meinerseits…ich hatte ja Null Ahnung von dem allen …hab ich mich… zugegebenermaßen… ziemlich blauäugig in dieses Abenteuer gestürzt.

Dort angekommen musste ich mit zunehmender Beteiligung von Models und Fotografen etwas Lächeln. Und es war auch Verwunderung dabei. Alle ausgerüstet mit Trollys, Reisetaschen und Bollerwagen…..um die ganzen verschiedenen Outfits zu transportieren. Ich kam mit einem Outfit und das trug ich😂. Gleich zu Beginn wurde ich von 2 ganz lieben Fotografen unter die Fittiche genommen…und doch hatte ich den Eindruck dass du immer irgendwie ein wachsames, beobachtendes Auge auf mich hattest. Wir kamen dann nach einiger Zeit auch dazu gemeinsam Fotos zu machen…und ich war geflasht. Mir wurden Bilder präsentiert, die ich nie und nimmer so erwartet hätte. Dir ist es gelungen ganz einfache, natürliche, authentische Bilder von mir zu machen, die mich zeigten wie ich bin. Einfach ich war da zu sehen. Und diese Fotos transportierten auch dieses Glücksgefühl, dieses bei mir sein, diese Zufriedenheit. Ich war unglaublich begeistert und beeindruckt mich so zu sehen. Wir hatten eine wunderbare Unterhaltung und waren uns einig, bald wieder was zusammen zu machen. Tja, es dauerte fast ein Jahr, bis es uns gelang diesen Vorsatz in die Tat umzusetzen 🙃…und es war mir eine Ehre bei deinem Projekt “Simply you” mitzuwirken. Wir hatten einen wunderbaren Vormittag zusammen mit viel Reden, Lachen, und Zeit. Ohne Druck Fotos machen zu müssen. Zwar zu können aber sonst nix. Ein ganz großer Punkt unseres Gespräches war “geschenkte Zeit, Achtsamkeit und Dankbarkeit”. Wir stellten beide fest…..geschenkte Zeit ist das wertvollste Geschenk dass ich einem Menschen machen kann. Und das Materielle kann und sollte so etwas nie aufwiegen dürfen. Dazu ist sie zu kostbar. Diese Fotoserie bedeutet mir unheimlich viel. Ich durfte und konnte viel von meinem Inneren Preis geben. Ich fühlte mich aufgehoben, verstanden, vertraut, als Ich akzeptiert mit all meinen Ecken und Kanten. Das alles hat diesen Vormittag zu etwas unglaublich besonderen gemacht. Ich hab die Nähe und das Wir genossen. Jede Minute war ausgefüllt. Auch mit Schweigen. Ja, auch das würde einfach akzeptiert und abgewartet. 

Daniel, ich danke dir aus ganzem Herzen für diese geschenkte Zeit die wir zusammen verbracht haben und bin sehr stolz, Teil deines Projektes sein zu dürfen und das du mir dies ermöglicht hast.

Ich weiß, es ist ein langer Text. Und doch nur ein Bruchteil dessen, was ich empfunden habe, und noch immer empfinde. Das kürzeste Wort dafür ist wohl DANKE ❤️

Das hier sind die Bilder vom erwähnten Fotowalk Ingolstadt 2020

Ich antworte:

Liebe Sonja, ich danke dir sehr für diese wunderschönen Worte.

Dass du damals meiner Einladung zum Fotowalk gefolgt bist, trotz deiner Vorbehalte, fand ich großartig. Und tatsächlich waren es unter anderem genau diese Fotos, die ich auf dem Walk von dir gemacht habe, die meine Gedanken langsam in Richtung “SIMPLY YOU” lenken sollten. Bis dahin habe ich ja meist eher im Beauty- oder Fashion-Stil fotografiert, eben das, was die meisten öffentlich sichtbaren Fotografen so tun. Das hätte mit dir nicht wirklich funktioniert, denn dafür bist du ja so gar nicht der Typ. Daher habe ich damals spontan etwas anderes probiert. Und was soll ich sagen? Das hat genau zu dir gepasst! Da waren auf einmal total natürliche Schwarzweißbilder, die keine aufgehübschte Fassade zeigten, sondern das Innere, das Echte. Dein Lachen. Deine Nachdenklichkeit.

Für mich gibt es diesen Unterschied zwischen “hübsch” und “schön”, und während “hübsch” (das ist für mich rein äußerlich) natürlich nett anzusehen ist, ist “schön” für ein Portrait-Foto eigentlich viel mehr wert. Die Schönheit kommt ja bekanntlich von innen. Da spiegeln sich Lebenserfahrungen, positive wie negative, in den Augen. Da werden die Fältchen, die man in der Beautyfotografie akribisch wegretuschiert, auf einmal total interessant und unterstreichen die Attraktivität eines Menschen. Überhaupt werden da alle kleinen (sogenannten) Fehler eines Menschen auf einmal zu genau den Eigenheiten, die diesen Menschen einzigartig machen. “It’s not a bug, it’s a feature”, wie der IT-Spezialist in mir sagen würde. 😉 

Ich behaupte: Ein Bild, auf dem ein Mensch hübsch abgebildet ist, schaut man sich gerne kurz an, ist vielleicht kurz sogar richtig geflasht davon, aber dann wird das Bild schon wieder schnell unwichtig. Oder, um es auf “Instagramisch” zu sagen: Beim Scrollen kurz anhalten, 2 Sekunden gucken, dann weiterscrollen. Aber ein Bild, auf dem ein Mensch wirklich schön, tiefgründig und interessant abgebildet ist, das sieht man sich länger an. Man vertieft sich vielleicht sogar eine Weile hinein, lernt so den Menschen ein wenig kennen. Natürlich macht das nicht jeder. Um wieder Instagram zu bemühen: 90% der Betrachter werden hier nicht mal mehr die 2 Sekunden Halt machen, weil sie nur ein “langweiliges Schwarzweißbild” vorbeirauschen sehen, das ihren Blick nicht in den ersten Zehntelsekunden auf sich ziehen kann. Aber wer sich für dich interessiert, oder wer sich für Menschen generell begeistert, der wird anhalten und das Bild lange ansehen. Instagram ist sicher auch nicht die typische Plattform für solche Bilder. Darum gebe ich meinen SIMPLY-YOU-Kunden auch möglichst keine JPEGs zum Ansehen, sondern der erste Eindruck, wenn sie ihre Bilder sehen, sollen hochwertige Fineart-Prints sein, die ich von den Bildern anfertigen lasse. Das sind dann Bilder, die viele Jahrzehnte überdauern und nicht an Wert verlieren, sondern eher immer wertvoller werden, je älter man wird. 

Achtung, Szenenwechsel 😉 Hier kannst du Tamara sehen, wie ich ihr ihre SIMPLY YOU Fineart-Prints übergebe. Das war fast ein magischer Moment für uns beide. (Über Tamara wird es bald auch einen Blogbeitrag geben! Ganz unten auf dieser Seite kannst du dich für den Newsletter eintragen, dann bekommst du automatisch bescheid.)

…Aber ich schweife ab. Zurück zum Fotowalk und zu dir, liebe Sonja. Ja, und da habe ich auf einmal Lust bekommen, mit meiner Fotografie mehr in diese Richtung zu gehen. Zumal 2020 ja das Corona-Jahr war, in dem sich so viel für uns alle änderte. Vielen Menschen, die sonst ausgelassen und fröhlich sind, ging es auf einmal nicht mehr gut. Man kam ins Nachdenken über sich selbst, über die Welt, über die eigenen Werte und über so viel mehr. Die Folge: Man findet wieder mehr zu sich selbst. Und da lag es für mich nahe, meine Fotografie zu nutzen, um Menschen dabei zu helfen, zu sich selbst zu finden. Es hat eine Zeit lang gedauert, bis ich selbst so weit war, denn das ist auch für den Fotografen eine riesige Herausforderung – darüber schreibe ich bestimmt auch mal einen Blogbeitrag. Aber mittlerweile weiß ich, worauf es ankommt, und ich habe zu SIMPLY YOU schon so viel tolles Feedback bekommen, dass ich sicher bin, dass ich das auch noch eine ganze Weile weiter machen werde.

Ist es eigentlich Zufall? Du nennst deine Facebook-Seite “Einfach nur ich”.  Und einige Zeit später nenne ich mein Fotografie-Thema “SIMPLY YOU”. (Falls hier jemand kein Englisch kann: Das eine ist so ziemlich die exakte Übersetzung vom anderen). Ich schwöre, dass ich das nicht bewusst genauso genannt habe! 😉 Aber vielleicht unterbewusst. Wer weiß. Schaut mal auf Sonjas Seite “Einfach nur ich” vorbei!

Dafür, dass du mich – ohne es zu wissen – in diese Richtung “geschubst” hast, danke ich dir sehr! 

SIMPLY YOU – Sonjas Bilder

Es folgen die Bilder, die wir im Mai 2021 auf unserem Spaziergang in Manching gemacht haben:

Möchtest du auch ein SIMPLY YOU Shooting? Dann schau mal hier:

Bullet-Time-Shot eines Wasserhuts (Highspeed-Fotografie) – #029

MOF029_Bullettime_Highspeed_Fotografie_Wasserhut

Dieser Artikel handelt davon, wie man spezielle Fototechniken kombinieren kann, um etwas besonders Eindrucksvolles zu produzieren. Konkret: Eine Highspeed-Fotografie friert ultraschnelle Bewegung ein. Mittels Bullet-Time-Rig wird dieses Bild exakt zeitgleich von mehreren Kameras aus unterschiedlichen Blickwinkeln aufgenommen, und das ermöglicht dreidimensionale Darstellung und Animation des Ergebnisses. Jeder einzelne winzige Wassertropfen ist in jedem Bild an exakt derselben Position in der Bewegung eingefroren.

Bullet-Time? Wasserhut? Kleine Begriffsklärung vorab:

Vorgeschichte

Die Idee zum “Bullet-Time”-Shot mit Wassermütze kam mir, als ich mich Anfang 2019 mit dem Thema Bullet-Time / Matrix beschäftigte. Schnelle Bewegungen fotografieren, das hatte ich schon vorher öfter mal gemacht (siehe dazu auch meine Blogartikel über Highspeed-Fotografie: http://hertrich.photo/highspeed)
Die technische Inspiration kam von einem kleinen Making-Of von “Matrix”: 
Auf Nachfrage beim Sony-Deutschland-Marketing, ob man interessiert wäre, mir für ein Bullettime-Rig mehrere Kameras, ggf. mit Montage und Filmteam für ein großes Making-Of zur Verfügung zu stellen, verneinte man. Aber ich wollte das unbedingt machen.
Darum habe ich in meinem Lieblingsfotoclub (“Hobbygrafen Club Beilngries und Umgebung“) nachgefragt, wer Interesse hätte, mit seiner Kamera beim großen 3-tägigen “Water-Wigs-Shooting”-Event in einer gemieteten Landwirtschaftshalle vorbeizukommen, um ein Teil eines improvisierten Bullet-Time-Rigs zu werden. 7 Fotografen kamen mit ihrer Kamera (teilweise mit mehreren Kameras), zzgl. meiner zwei Kameras hatten wir dann 11 Kameras in einem Kreisbogen um das Set aufgestellt. 
 
An dieser Stelle darf ich allen ganz herzlich danken, die diesen Spaß mitgemacht haben:
 

Vorgehen, Technik

Die exakte Synchronisation der Auslösung war hier gar kein großes Thema: Der Zeitpunkt der Aufnahme wird ohnehin durch den Blitz bestimmt. Es muss nur sichergestellt sein, dass zum Zeitpunkt der Aufnahme alle Kameras offen sind (offener Verschluss) und der Raum komplett abgedunkelt ist, damit kein Licht auf die freiligenden Kamerasensoren fällt (außer im Moment des Blitzens). Das Timing des gesamten Prozesses und besonders der Blitzauslösung war hingegen schon eine Herausforderung. Pro Aufnahme gilt es, die folgenden Punkte exakt einzuhalten:
  1. Alle beteiligten Personen machen sich bereit. Model nimmt die Pose ein, Wasserballonwerfer zielt schonmal auf den Nagel, der auf dem Kopf des Models befestigt ist und der sicherstellt, dass der Ballon auch platzt. Fotografen bereiten ihre Kameras und sich selbst vor.
  2. Der Raum wird abgedunkelt (ich schalte die Raumbeleuchtung mittels Funkfernbedienung aus)
  3.  Alle 11 Kameraverschlüsse werden ungefähr zeitgleich für 5 Sekunden geöffnet. Jeder Fotograf muss seine Kamera(s) dafür zum richtigen Zeitpunkt auslösen.
  4. der Werfer wirft den Wasserballon. Über eine Laserlichtschranke mit Verzögerungselektronik wird der Blitz im richtigen Moment kurz nach Platzen des Ballons ausgelöst, ca. 120 Millisekunden nachdem der Ballon durch die Lichtschranke geflogen ist. Die an der Blitzanlage eingestellte Blitzabbrennzeit von 1/10.000s friert die Bewegung ein
  5. Die Kameraverschlüsse gehen nach 5 Sekunden wieder zu
  6. Ich schalte die Raumbeleuchtung wieder ein
  7. Das Model darf sich abtrocknen 😉

Das folgende Video zeigt die Anfertigung einer Aufnahme mit allen Kameras:

 
Play Video
Da bei Schritt 3 nicht alle Fotografen gleich schnell auf mein Kommando durch Einzählen reagieren, leite ich Schritt 4 – ebenfalls durch Einzählen – erst nach einer Pufferzeit von 2 Sekunden ein. 5 Sekunden Verschlusszeit reichen dafür ja aus, wenn man nicht durcheinander kommt. Und ich kam ab und zu mit dem Einzählen und der Reihenfolge der Knöpfchen, die zu drücken waren, durcheinander, ich mache sowas ja nicht alle Tage. 😉 
Es hat einige Probeaufnahmen gebraucht, bis alle wussten, was sie wann zu tun haben, und auch wirklich alle Kameras zum richtigen Zeitpunkt offen. und der Ballon zum richtigen Zeitpunkt auf dem Kopf des Models waren. Nach rund einer Stunde Vorbereitung hatten wir das erste Bild in den 11 Kästen. Danach waren noch einige Korrekturen an Set, Kameraeinstellungen und Timing nötig, bis wir schließlich 11 so gut zusammenpassende Bilder hatten (Bildausschnitt, Winkel, Belichtung, wirklich alle Kameras ausgelöst, nicht aus Versehen den Blitz doppelt ausgelöst usw.), dass ich sie in der Postproduktion zu einem 3D-Bild bzw. einer Animation zusammenfügen konnte.

Nachbearbeitung der Bilder:

Dennoch waren in der Nachbearbeitung noch intensive Anpassungen notwendig. Es waren ja alle möglichen verschiedenen Kameras dabei. Vollformat und APS-C. Sony, Nikon und Canon. Wir hatten uns auf eine Brennweite von 70mm und Blende von f/11 geeinigt, die aber mit den unterschiedlichsten Objektiven realisiert wurden. Also auch hier deutliche Unterschiede in der Abbildungsqualität. 
Und nicht zuletzt war es wohl ein Fehler, links und rechts hinten unterschiedlich farbige Rimlights (Lichter von schräg hinten, die die Wassertröpfchen gegen den schwarzen Hintergrund hervorheben) aufzustellen, denn je nach Kamerawinkel sah dann der Wasset-Hut eher rot oder eher blau aus (in der Mitte violett). Eigentlich ein schöner Effekt, aber beim Zusammenfügen mehrerer Bilder sollte die Farbe eines Objekts nicht variieren. Das hatte ich vorher nicht bedacht.
Der Nachbearbeitungsprozess war ungefähr folgender:
  1. Alle Bilder in Lightroom Classic importieren.
  2. Die Bilder in Zuschnitt und Belichtung grob aneinander anpassen
  3. Alle Bilder nach Photoshop als Ebenen exportieren
  4. In Photoshop alle Bilder an Hilfslinien (Gesichtsbegrenzung) so ausrichten, dass die Bilder, nacheinander abgespielt, eine saubere Drehung des Models um die vertikale Achse zeigen
  5. Störungen in den Bildern herausmaskieren bzw. wegstempeln. Gerade bei den Bildern von ganz links und ganz rechts sind im Hintergrund der Ballonwerfer bzw. Lampenstative zu sehen. 
  6. Die Bilder einzeln so in Belichtung, Kontrast, Weißabgleich, Farbbalance und Schärfeeindruck feinjustieren, dass sie optisch gut zusammenpassen
  7. Alle Bilder synchron so beschneiden, dass zwar das Model und der Wasserhut nicht zu sehr beschnitten sind, aber keine (nicht behebbaren) Störungen mehr in den Bildern zu sehen sind.
  8. Export als 11 einzelne JPEGs
MOF029_Bullettime_Highspeed_Fotografie_Wasserhut
Ausrichtung jedes einzelnen Bildes möglichst exakt an den Hilfslinien
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Die Einzelbilder nebeneinander

Präsentation

So viel Aufwand für knapp 10 fast gleiche Bilder. Und nun? Wie zeigt man sie am besten? Darüber hatte ich im Vorfeld gar nicht nachgedacht, tatsächlich war das aber eine weitere große Herausforderung. 
 

Animation

Als erstes erstellte ich aus den Bildern eine Animation. Ganz hübsch anzusehen, aber nichts Besonderes. Hier fallen dann die letzten Unterschiede zwischen den Bildern in Belichtung, Ausrichtung usw. extrem stark auf. Sicher hätte man da durch aufwendige Bearbeitung noch mehr herausholen können, aber ganz ehrlich: Für solche stundenlange Feinarbeit fehlt mir die Geduld!
Dass übrigens die Farbe des Wasserhuts zwischen blau und rot wechselt, ist dem Umstand geschuldet, dass ich am Set zwei Rimlights (Seitenlichter von hinten) hatte, links mit Blaufilter und rechts mit Rotfilter. Das macht das Bild spannender. Aber ich hatte nicht bedacht, dass je nach Blickwinkel der Wasserhut dann ganz unterschiedlich vom Licht eingefärbt ist. Again what learned.
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Animiertes GIF

Interaktives 3D-Modell mittels Photogrammetrie

Anschließend hatte ich versucht, aus den so erzeugten Einzelbildern über die Photogrammetrie-Software “3DF Zephyr” ein 3D-Modell zu errechnen, was jedoch misslang. Das kann an mir gelegen haben, weil das mein erster Versuch mit der Software war. Oder es lag an der zu schlechten Übereinstimmung der Bilder bzw. an den unendlich vielen winzigen Details (Wassertröpfchen).
Falls jemand von euch mal versuchen möchte, ein 3D-Modell zu erstellen, stelle ich gerne die Quellbilder zur Verfügung. Ich würde mich freuen!
Photogrammetrie ist ein Thema, das mich auch im Zusammenhang mit der Produktion virtueller Touren (www.360bayern.de) sehr interessiert. Wäre ein netter Einstieg ins Thema gewesen. Naja.
 

Lentikulardruck / Linienrasterdruck / Wackelbild

Monate später kam mir die Idee, aus den Bildern einen Lentikulardruck erzeugen zu lassen (umgangssprachlich “Wackelbild”, das Verfahren heißt auch “Linienrasterdruck”). Wir alle kennen die “Wackelbilder” aus unserer Kindheit.
 
Auf meine Angebotsanfrage bei einigen Spezialisten für Lentikulardruck antwortete interessanterweise nur Elmar Spreer von www.digi-art.de. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an Herrn Spreer für das ausführliche und inspirierende Telefongespräch und die tolle Unterstützung! Und jetzt hatte ich endlich eine Möglichkeit, allen am Projekt Beteiligten ein kleines Geschenk zukommen zu lassen, etwas Echtes, das man in die Hand nehmen kann! Lentikulardruck ist vergleichsweise sehr teuer und aufwendig: Wen das Druckverfahren interessiert, dem empfehle ich den Wikipedia-Artikel über Linienrasterdruck.
 
In Kürze: Die Bilder werden in Linien aufgeteilt, die neben- oder untereinander auf ein Papier gedruckt werden. Dann wird eine spezielle Linien-Linse aus Kunststoff aufgebracht, so dass man je nach Betrachtungswinkel unterschiedliche Bilder sieht. 
 

Wackelbild horizontal und vertikal – ein Vergleich

Das Besondere an der Kombination aus vertikalen Linien/Linsen und dieser Art der Aufnahme einer Szene ist, dass man beim Betrachten des Lentikularbildes nicht nur ein typisches “Wackelbild” sieht, das sich bei Bewegung verändert, sondern man hat einen 3D Effekt, auch ohne “Wackeln”. Denn das linke Auge bekommt ein Bild, das von weiter links aufgenommen ist und das rechte Auge ein Bild, das von weiter rechts aufgenommen ist. Bei horizontalen Linien / Linsen funktioniert das nicht. Das lässt sich hier im Internet natürlich ohne spezielle 3D-Hardware nicht zeigen. Aber damit du besser verstehst, was ich meine, hier ein Vergleich: Links ist ein Lentikulardruck mit vertikalen Linien und Linsen, rechts mit horizontalen. Kippe ich die Bilder nach rechts/links, sieht man die Animation auf dem linken Bild. Kippe ich sie nach oben/unten, sieht man sie auf dem rechten Bild.

Andere Möglichkeiten zur Präsentation?

Wenn du weitere Möglichkeiten kennst, solche Bilder eindrucksvoll zu zeigen, egal ob in Internet oder außerhalb davon, freue ich mich über eine Nachricht! 🙂

MOF#011 Was ist ein schönes Bokeh?

Bei Portraits die Blende unbedingt möglichst weit öffnen? Es muss ein f/1.2-Objektiv sein, weil das so ein tolles Bokeh hat? Je unschärfer, desto besser? Ich räume mit ein paar Mythen auf:

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